Wilderei verstehen – Formen, Abläufe und Dynamiken
Wilderei ist kein einheitliches Phänomen, sondern ein komplexes System aus verschiedenen Formen, Motiven und Strukturen. Wer die Dynamiken versteht, kann gezielter dagegen vorgehen. Die Namibian Wildlife Foundation (NWF) beleuchtet, wie unterschiedliche Wilderei-Formen funktionieren – und warum sie so schwer zu bekämpfen sind.
Fleischwilderei, Trophäenjagd und Schmuggelnetzwerke
Dynamiken: Vom lokalen Wilderer zum globalen Markt
Hauptformen der Wilderei – ein Überblick
Fleischwilderei – lokal, opportunistisch, schwer zu kontrollieren
Fleischwilderei ist die am häufigsten vorkommende Form der Wilderei in Namibia.
Sie findet überwiegend auf Privatflächen und Farmgelände statt und richtet sich gegen jede Tierart, die in Schlingfallen gerät: Oryx, Antilopen, Warzenschweine und anderes mittelgroßes Wild.
Kennzeichnend ist ihre Opportunistik:
Es wird nicht gezielt auf eine bestimmte Art gejagt.
Ziel ist die Fleischgewinnung für Eigenbedarf oder den Verkauf auf lokalen Schwarzmärkten.
Die Täter stammen häufig aus der Region.
Die Jagd erfolgt meist mit einfachen Mitteln, vor allem Schlingfallen.
Ein strukturelles Problem ist die enorme Größe vieler Flächen, die eine lückenlose Überwachung unmöglich macht. Fleischwilderei bleibt dadurch oft lange unentdeckt, obwohl sie kontinuierlich Wildbestände dezimiert und Ökosysteme destabilisiert.
Illegale Trophäenjagd – kommerziell, organisiert, aber nicht kartellgebunden
Eine zweite Form der Wilderei ist die illegale Trophäenjagd.
Sie ist gezielter als Fleischwilderei, aber nicht zwingend Teil kartellgesteuerter Netzwerke.
Häufig handelt es sich um gut ausgerüstete Gruppen oder Einzelpersonen, die
gezielt auf hochwertige Wildtiere wie Giraffen, Kudus, Großantilopen oder seltene Raubtiere aus sind,
Trophäen oder besondere Körperteile für private Sammlungen oder den Weiterverkauf jagen,
mit Fahrzeugen, Nachtsichtgeräten oder Feuerwaffen agieren.
Diese Jagd ist besonders problematisch, weil die Täter nicht aus Armut handeln, sondern aus Profitinteresse oder Prestigegründen.
Sie bewegen sich oft legal getarnt in Grenzbereichen zwischen Jagdtourismus, Genehmigungslücken und gezielten illegalen Abschüssen. Dadurch ist die Strafverfolgung deutlich schwieriger.
Hochwertwilderei – kartellstrukturiert, professionell und gefährlich
Die gefährlichste und folgenschwerste Form der Wilderei ist die Hochwertwilderei auf Nashörner und Elefanten.
Diese Angriffe werden von organisierten, international vernetzten Gruppen durchgeführt.
Merkmale dieser Form:
Zielarten: Nashörner (Hörner) und Elefanten (Elfenbein).
Schwer bewaffnete, mobile Tätergruppen, oft mit militärischer oder paramilitärischer Ausbildung.
Einsatz von Fahrzeugen, Nachtsichttechnik, Funk und Unterstützung durch Informanten.
Hoher Koordinationsgrad über Regionen hinweg.
Systematische Nutzung von Korruption, um Kontrollen zu umgehen.
Diese Gruppen agieren nicht zufällig, sondern mit präziser Planung und Logistik.
Sie sind Teil eines lukrativen, internationalen Schwarzmarktes, bei dem ein einziges Horn oder Stoßzahn Werte in fünf- bis sechsstelliger Höhe erzielen kann.
[STAT] 2024 wurden in Namibia 83 Nashörner gewildert – ein alarmierender Anstieg gegenüber den Vorjahren.
Diese Form der Wilderei ist nicht mit klassischen Maßnahmen allein zu bekämpfen, sondern erfordert koordinierte, mehrstufige Strategien.
Dynamiken und Strukturen – vom lokalen Wilderer bis zum globalen Markt
| Wilderei-Form | Zielarten | Täterprofil | Organisationsgrad | Wirkung |
|---|---|---|---|---|
| Fleischwilderei | Antilopen, Oryx, Warzenschwein, Giraffen (für Fleisch) | lokal, armutsgetrieben | gering | kontinuierlich, schleichend; schwer zu überwachen; schädigt lokale Bestände |
| Illegale Trophäenjagd | Giraffen, Kudus, Großantilopen, Raubtiere | semi-professionell, profitgetrieben | mittel | punktuell, aber ökologisch relevant; gezielte Eingriffe in Schutzbestände |
| Hochwertwilderei | Nashörner (Horn), Elefanten (Elfenbein), Pangoline (Schuppen), vereinzelt Giraffen (Knochen) | Kartelle, schwer bewaffnet, organisiert | hoch | massiv, systematisch; transnational vernetzt; hohe ökologische & ökonomische Schäden |
Jagd & Wilderei in Namibia – Regulierte Nutzung und kriminelle Ausbeutung
Namibia ist eines der wenigen Länder in Afrika, das legale, streng regulierte Jagd und aktive Naturschutzstrategien miteinander verbindet. Während ein Teil der Jagd staatlich kontrolliert und wirtschaftlich in den Naturschutz eingebunden ist, gefährden illegale Jagdformen und Wilderei sowohl Tierbestände als auch die Sicherheit von Schutzgebieten.
Um Wildereidynamiken realistisch einordnen und wirksam bekämpfen zu können, ist es entscheidend, zwischen regulierter Nutzung und illegaler Ausbeutung zu unterscheiden.
Regulierte Jagd – rechtlicher Rahmen und konservatorische Ziele
Namibia verfügt über eines der bestregulierten Jagdsysteme Afrikas.
Die Jagd ist fest in das nationale Naturschutz- und Landnutzungssystem eingebettet.
Wichtige Eckpunkte:
Lizenzsystem: Jagdgenehmigungen werden nur für bestimmte Arten und klar definierte Quoten erteilt.
Zugelassene Gebiete: Jagd darf ausschließlich auf genehmigten Flächen erfolgen.
Einnahmen für Naturschutz: Ein erheblicher Teil der Erlöse fließt in den Schutz bedrohter Arten, in die Überwachung und den Betrieb von Schutzgebieten.
Community Conservancies: In gemeinschaftlich verwalteten Schutzgebieten profitieren lokale Gemeinden direkt finanziell. Dadurch entsteht ein wirtschaftlicher Anreiz, Wildtiere zu schützen und Lebensräume zu erhalten.
Schutz durch Nutzung: Dieses Modell („Conservation through sustainable use“) erhöht die Akzeptanz für Wildtiere, senkt Landnutzungsdruck und schafft Mittel für Anti-Wilderei-Maßnahmen.
Diese Form der Jagd ist rechtlich klar geregelt und wird staatlich überwacht. Sie ist nicht frei von Kritik, hat aber konkrete positive Effekte auf den Schutz von Lebensräumen und Tierpopulationen.
Illegale Jagd – Missbrauch und gezielte Verstöße
Neben der legalen Jagd existiert in Namibia auch illegale Jagd.
Sie entsteht dort, wo Lizenzen missbraucht, Regeln umgangen oder geschützte Arten gezielt erlegt werden.
Typische Formen:
Jagd ohne gültige Lizenz oder außerhalb genehmigter Gebiete
Abschuss geschützter oder nicht freigegebener Arten
Überschreitung genehmigter Quoten
Einsatz legaler Genehmigungen als Deckmantel für illegale Aktivitäten
Jagd in schwer kontrollierbaren Grenzregionen
Illegale Jagd ist zahlenmäßig kleiner als Fleisch- oder Hochwertwilderei, kann aber gezielt Schutzbestände gefährden (z. B. Leoparden, Giraffen oder Großantilopen). Zudem erschwert sie Kontrollen, weil sie sich oft zwischen legaler und krimineller Praxis bewegt.
Legale vs. illegale Jagd in Namibia
| Aspekt | Legale Jagd | Illegale Jagd |
|---|---|---|
| Status | Staatlich genehmigt | Rechtswidrig |
| Arten | klar definierte, freigegebene Arten | geschützte oder nicht freigegebene Arten |
| Durchführung | nur in genehmigten Gebieten | außerhalb genehmigter Gebiete |
| Ziel | nachhaltige Nutzung & Schutzfinanzierung | Profit, Deckmantel oder direkte Wilderei |
| Kontrolle | staatlich überwacht | schwer zu verfolgen |
| Wirkung | kann Naturschutz finanzieren | gefährdet Bestände & Glaubwürdigkeit |
Bedeutung für den Naturschutz
Die klare Differenzierung zwischen legaler Jagd, illegaler Jagd und Wilderei ist zentral für wirksame Schutzstrategien.
Legale Jagd kann – wenn streng kontrolliert – einen Beitrag zur Finanzierung des Naturschutzes leisten.
Illegale Jagd und Wilderei hingegen untergraben Schutzbemühungen und gefährden Arten direkt.
Die Bekämpfung von Hochwertwilderei erfordert technologische Mittel, Aufklärung, internationale Zusammenarbeit und rechtliche Konsequenz.
Prävention vor Ort – insbesondere bei Fleischwilderei – ist ebenso wichtig wie strategische Maßnahmen gegen organisierte Strukturen.
Quellen
– Ministerium für Umwelt, Forstwirtschaft und Tourismus Namibia – Jahresbericht 2024
– UNODC – World Wildlife Crime Report 2022
– TRAFFIC – Wildlife Trade Briefings Southern Africa
– IUCN – Sustainable Use and Livelihoods Programme
– Eigene Feldbeobachtungen & Projektdaten der Namibian Wildlife Foundation

